Hier ein Artikel, den ich Anfang 1994 für den RHCI-Kurier schrieb:
Beginn des Funkwesens in Königs Wusterhausen
Auf dem Windmühlenberg bei Königs Wusterhausen, dem späteren Funkerberg, wurde im Jahre 1914 von der Militär-verwaltung eine Funkstation aufgebaut. Am 15. Juni 1916 ging diese Station mit vier Lichtbogensendern und Empfangseinrichtungen in Betrieb. Das Rufzeichen "LP" erhielt die Funkstation nach den ersten Stationsführer Major von Leppel, der bereits 1915 von Königs Wusterhausen aus Funkversuche durchführte. Während des 1. Weltkrieges unterhielt die deutsche Militärverwaltung über die Haupt-funkstelle Königs Wusterhausen ständig Funkverbindungen zu den sogenannten Festungs-funkstellen in Metz, Straßburg, Köln und Graudenz. Die Aufgabe bestand darin über die Festungsfunkstellen Verbindung zu den Luftschiffen und Agenten aufrecht zu erhalten, die mit Aufklärungsaufgaben betraut waren. Von hier hörte man auch den gegnerischen Funkverkehr ab, warnte bei Luftangriffen und unterstützte den Feldfunkverkehr. Nach dem 1. Weltkrieg übernahm die Deutsche Reichspost die Funkstation. Unter Leitung von Staats-sekretär Dr. Bredow wurden die Anlagen für den Wirtschaftsfunk auf Röhrensender umge-rüstet, die Empfangsanlagen nach Berlin-Zehlendorf verlegt, und die Sender vom Haupt-telegraphenamt Berlin ferngetastet. Die Antennenanlage erhielt zwei weitere 100-m-Masten. In einem URANIA-Experimemtalvortrag entwickelte Dr. Bredow im November 1919 in Berlin vor Presse- und Behördenvertretern seine Gedanken eines Rundfunks für jedermann. Er fand wenig Anklang, zumal die Vorführung der ersten - aus Königs Wusterhausen - übertragene Sprache und Schallplattenmusik von den Lautsprechern verzerrt wiedergegeben wurde. Nach dem URANIA-Vortrag beschäftigte sich aber die Reichspost und die damalige Funkindustrie stärker mit der Entwicklung und dem Bau von Sendern und Empfängern für die Übertragung von Sprache und Musik.
Wie der Rundfunk in Königs Wusterhausen begann
Die ersten RundfunkVersuche in der Hauptfunkstelle wurden mit einem aus Heeresbeständen vorhandenen Lichtbogensender durchgeführt. Dazu baute man eine Modulationseinrichtung und verwendete Kohlekörnermikrofone vom Telefon. Zur Schallplattenübertragung stellte man das Mikrofon vor den Trichter des Grammophons. Die Funkversuche erfolgten anfangs auf Welle 3500 m, die bis zu Entfernungen von 2000 km gut hörbar waren. Anfang 1920 fanden die ersten Versuche mit Instrumentalmusik statt. Die Techniker der Hauptfunkstelle griffen zu Geige, Cello und Klarinette. Ein Zusammenspiel aller Instrumente klappte wegen der damals unbekannten akustischen Kopplung noch nicht. Das am 22. Dezember 1920 aus Königs Wusterhausen ausgestrahlte Weihnachtskonzert brachte erstmalig Instrumentalmusik mit Geige und Harmonium als Begleitung. Postbeamte sangen Weihnachtslieder. Begeisterte Zuschriften von behördlichen Empfangsstationen aus Deutschland und von privaten Rundfunkhörern aus dem Ausland waren die Anerkennung. Aus Deutschland kamen von privaten Rundfunkhörern keine Empfangsbestätigungen, privater Rundfunkempfang war hierzulande verboten und auf "Schwarzhören" standen hohe Strafen.
Die Sonntagskonzerte aus Königs Wusterhausen
In den Jahren 1920 bis 1926 übertrug man aus dem Senderaum der Hauptfunkstelle jeden Sonntag 11.00 Uhr ... 13.00 Uhr die Sonntagskonzerte. Mit der Rundfunkübertragung aus der Staatsoper Berlin am 08. Juni 1921 hatte die Hauptfunkstelle einen Durchbruch in ihren Bemühungen der Funkübertragung erzielt. Gesendet wurde damals die Oper "Madame Butterfly". Nach dieser erfolgreichen Übertragung ging man im November 1921 dazu über, die Telefoniesender von Königs Wusterhausen über Fernleitungen zu modulieren. Bereits Anfang 1922 waren Telefongespräche von Berliner Anschlüssen über Funk möglich. Beim Weihnachtskonzert 1922 verwendeten die Techniker Telefonhörer als Mikrofone. Der Klang verbesserte sich dadurch sehr. Es war ja auch der Anfang des dynamischen Mikrofons. Verbesserungen traten bei den Schallplattenübertragungen ein, als man 1923 einen Telefonhörer mit einer Grammophonnadel an der Membrane zur direkten Abtastung der Schallplatte nutzte. Die Schallplattenübertragungen mußten danach sehr gut gewesen sein. Als Dank kamen für die Interpreten Liebesgabenpäckchen aus dem Ausland an. Da eine Schallplatte mit dem Inhalt der Päckchen nichts anfangen konnten, erhielten die technischen Mitarbeiter die Liebesgaben. Die Freude war groß, es war Inflationszeit.
Der deutsche Rundfunk
Die Reichspost teilt 1922 Deutschland in neun Sendebezirke ein, die von privaten Programmgesellschaften versorgt werden sollen. Die feierliche Eröffnung des Deutschen Rundfunks am 15. Oktober 1923 durch Herrn Staatssekretär Dr. Bredow wurde mit einem Konzert aus dem neuen Senderaum Königs Wusterhausen abgeschlossen. Am 29. Oktober 1923 strahlte die erste Rundfunkgesellschaft das Programm "RADIOSTUNDE" aus dem VOX-Haus Berlin aus. Gesendet wurde täglich von 20.00...21.00 Uhr. Geldgeber ist der VOX-Konzern, der in Berlin mit 3000 englischen Pfund die "Radio-Stunde AG" gründet - im Inflations- und Krisenjahr 1923 ein enormer Devisenbetrag. Das Rundfunkprogramm der "RADIOSTUNDE" hatte am 1. Dezember 1923 nur 467 zahlende Teilnehmer. Es gab aber zehn-tausende Schwarzhörer, denn eine Rundfunkempfangsgenehmigung kostete damals 350 Milliarden Mark! Empfangen wurde das Programm mit dem Dedektorempfänger; nur zahlungskräftige Hörer leisteten sich ein Röhrengerät. Bis zum 24. Januar 1926 produzierte und sendete die Hauptfunkstelle Königs Wusterhausen die beliebten Sonntagskonzerte weiter.
Deutschlandsender
Nach Fertigstellung des Senderhauses 3 und des Mittelturms ging 1926 der "Deutschlandsender" mit einem 20-kW-Langwellensender in Betrieb. Am 22. Dezember 1927 wurde dieses Programm vom 120-kW-Sender im Haus 4 (Zeesen) übernommen. Im Jahre 1945 fielen die Anlagen in Zeesen unter Reparation. Die Wiederinbetriebnahme des Deutschlandsenders nach dem 2. Weltkrieg erfolgte am 20. August 1946 in Königs Wusterhausen. Dazu wurde ein 100-kW-Lang-wellensender aus Restteilen aufgebaut. Der Sender strahlte bis zum 31.12.1993 als Reservesender das Programm "Deutschlandsender Kultur" aus, seitdem das Programm von "DeutschlandRadio Berlin".
Sender 21
In den Jahren 1929/30 wurde von Telefunken ein 100-kW-Sender in Berlin-Tegel aufgebaut und mit dem Programm "Berliner Rundfunk" eingeschaltet. Nach dem Sieg der Sowjetarmee über den Hitlerfaschismus und der Befreiung des deutschen Volkes legte der Befehl 819 vom 13. Mai 1945 der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland den Grundstein für den Berliner Rundfunk. Vom damaligen Funkhaus in der Masurenallee bestand eine Kabelverbindung zum Sender in Berlin-Tegel. Der Sender überstand den 2. Weltkrieg und ging als erster deutscher Sender nach der Kapitu-lation am 18. Mai 1945 auf Sendung. Die 220 Meter hohen Antennenanlagen wurden durch die französische Militäradministration am 16. Dezember 1948 gesprengt. Damit war der "Berliner Rundfunk" ohne funktionsfähige Sendeanlage. In drei Tagen wurde von Spezialisten mit Unterstützung und Mitarbeit von Ingenieuren der sowjetischen Seite die heute als Sender 21 bezeichnete Anlage in Tegel demontiert und in das dafür umgerüstete Sendehaus 2 des damaligen Funkamtes Königs Wusterhausen eingebaut. Der Einbau der Tegeler Anlage an ihrem neuen Platz vollzog sich inner-halb von dreieinhalb Monate. Ursprünglich waren für die umfangreichen Arbeiten neun Monate vorgesehen. Für den Aufbau des Senders wurde eine "sozialistische" Arbeitsgemeinschaft gebildet. Zeitweise arbeiteten, so geht aus der Chronik der heutigen Funkstelle hervor, 350 Menschen an der Montage. Unter Leitung des sowjetischen Ingenieurs Oberstleutnant Panasjuk entstand in Königs Wusterhausen eine neue Sendeanlage für den "Berliner Rundfunk". Am 20. März 1949 konnte über eine der noch in Königs Wusterhausen aus der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg vorhandenen Antennenanlagen der volle Sendebetrieb wieder aufgenommen werden. Über den Mittelwellensender 21 wurde am 7. Oktober 1949 die Nachricht von der Gründung der DDR in "alle" Welt gesendet. Zur Erhöhung der Bertriebsfähigkeit wurde der Sender später teilweise modernisiert. Die in offener Bauweise errichtete siebenstufige gitterspannungsmodulierte Sendeanlage verfügt über eine Leistung von 100 Kilowatt. Das einmalige technische Denkmal repräsentiert die Anfänge des röhrenbestückten und quarzkontrollierten Großsenderbaues. Den Mitarbeitern der Funkstelle Königs Wusterhausen ist es zu verdanken, daß sich der Mittelwellensender 21 heute in einem weitgehend originalem Zustand befindet. Der Sender stand auf der zentralen Denkmalliste der DDR. Zu DDR-Zeiten wurde über diesen Sender das Mittelwellenprogramm von Radio DDR 1 ausgestrahlt. Die letzte Einschaltung des Senders war am 14. Dezember 1991. Der noch intakte 100-kW-Mittelwellensender steht auch heute noch unter Denkmalschutz.
Antennen
Antennenträger von Funksendeanlagen sind faszinierende Hochbauten. Im Jahre 1926 standen auf dem Funkerberg zwei 100-m-Masten, fünf 150-m-Masten, sechs 210-m-Masten und ein Mittelturm, der noch eine Spitze von 40 Metern er-halten sollte. Wegen der nicht mehr zu garantierenden Standsicherheit wurden die Masten aus den Jahren 1914 - 1925 bis auf einen gesprengt. Der Mittelturm sollte als Wahrzeichen stehen bleiben. Einen orkanartigen Sturm am 13. November 1972 hatte er nicht überstanden.
Aus für den Funkerberg?
In der Zeitschrift "Funkamateur" wurde berichtet, das die Sendeanlagen bis spätestens 1996 abgerissen werden. "Denn bis dahin wird niemand die Sendemasten, Wappenzeichen der Stadt Königs Wusterhausen, mehr brauchen; dann nämlich wird dem 100-kW-Langwellen-Reservesender des DeutschlandRadios Berlin ebenfalls der Saft abgedreht. Die Telekom jedenfalls lehnt aus Kostengründen eine Erhaltung als technisches Denkmal ab." Möglicherweise hat sich nun die Telekom anders entschieden, denn seit November 1993 sendet bekanntermaßen RTL über einen TESLA-Mittelwellensender im Haus 3. Zur Zeit ist auch noch ein Kurzwellensender für die Deutsche Welle in Betrieb. Rennaissance erlebt auch der RTTY-Sender aus DDR-Zeiten. Im Moment wird dieser Sender für Schaltversuche von Stromversorgungsunternehmen verwendet. Gesendet wird mit 50 kW auf 129,1 kHz über eine Drahtdipol der schräg zur Spitze des großen Langwellensendemastes gespannt ist. Von Weitem wohl kaum zu erkennen. Bei meinem Besuch Ende November 1993 wurde außerdem die Heizungsanlage in diesem Gebäude von Grund auf erneuert.
Quelle: Telekom
Red.: Jan Balzer / 27. Januar 1994
Anmerkung Januar 2003:
Alle Sender auf dem Funkerberg in Königs-Wusterhausen sind schon seit längerem abgeschaltet. Die Geschichte des Rundfunk ist damit für diesen Standort beendet. Interessenten empfehle ich das Museum auf dem Gelände.